Wirksamkeit, Hahnemann

zur Wirksamkeit extremer Verdünnungen (aus: S. Hahnemann: Vorwort zur reinen Arzneimittellehre, Bd. 6):

Wie können kleine Gaben so sehr verdünnter Arznei, wie die Homöopathie sie vorschreibt, noch Kraft, noch große Kraft haben? So fragt nicht nur der gewöhnliche allopathische Arzt, welcher mit großen Arznei-Portionen in seinen Rezepten nicht hoch genug steigen zu können glaubt, sondern auch der Anfänger in der homöopathischen Kunst fragt so unverständig. Ob es möglich sei, daß sie die nötige Kraft haben könnten, zu zweifeln, scheint schon an sich selbst sehr töricht zu sein, da man sie in der That so viel wirken und den beabsichtigten Heil-Zweck offenbar erreichen sieht und täglich erreichen sehen kann. Und was wirklich geschieht, muß doch wenigstens möglich sein!

Doch auch dann, wenn die feindlichen Spötter den vor Augen liegenden Erfolg nicht mehr leugnen können, suchen sie dennoch durch täuschende Ähnlichkeits-Beispiele das selbst wirklich Geschehende, wo nicht als unmöglich, doch als lächerlich darzustellen. „Wenn ein Tropfen so weit verdünnter Arznei noch etwas wirken könnte“ – so lallen sie – „so müßte auch das Wasser des Genfer Sees, worein ein Tropfen kräftige Arznei gefallen ist, in jedem seiner Tropfen Wasser eben so viel Heilkräfte, ja noch weit mehr äußern, da zu den homöopathischen Verdünnungen ein noch weit größeres Verhältnis Verdünnungs-Flüssigkeit genommen wird. […]

Ich scheine der erste zu sein, welcher diese große, unerhörte Entdeckung machte, daß die Kraft der rohen Arznei-Stoffe, wenn sie flüssig sind, durch vielmaliges Schütteln mit unarzneilichen Flüssigkeiten, und, waren es trockne Dinge, durch mehrmaliges, anhaltendes Reiben mit unarzneilichen Pulvern, so sehr an intensiver Arzneikraft zunehmen, daß, wenn diese Vorrichtung weit getrieben wird, selbst Substanzen, in denen man im rohen Zustande Jahrhunderte lang keine Arznei-Kraft wahrnehmen konnte, unter dieser Bearbeitung eine Kraft, auf das Befinden des Menschen zu wirken, enthüllen, welche Erstaunen erregt.

Hahnemann betont, daß es sich beim Vorgang des Potenzierens von Arzneisubstanzen nicht um ein bloßes Verdünnen handelt, sondern daß insbesondere durch die intensiven Reibungs-Prozesse, die beim stundenlangen Verreiben der Arzneisubstanz mit Milchzucker einwirken, eine ganz neue Qualität von Substanzwirkung erreicht wird.